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Oktober 2018

 

La Boheme von Giacomo Puccini

in Italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

 

Premiere zur Spielzeiteröffnung 2018/19 für das

Mainfranken Theater Würzburg am 13. Oktober 2018 um 19.30 Uhr

 

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Musikalische Leitung: GMD Enrico Calesso  

Inszenierung: Martina Veh

Bühne: Emilie Delanne

Kostüme: Magali Gerberon

Licht: Roger Vanoni

Dramaturgie: Berthold Warnecke

 

Philharmonisches Orchesterer Würzburg, Opernchor, Extrachor (Leitung: Anton Tremmel) und Statisterie des Mainfranken Theaters

 

Mit: Silke Evers, Daniel Fiolka, Tobias Germeshausen, Mathew Habib, David Hieronimi, Roberto Ortiz, Kosma Ranuer, Igor Tsarkov, Akiho Tsujii, Taiyu Uchiyama

 

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Leben ist das, wo man hängen geblieben ist,

während man auf die Erfüllung seiner Träume gewartet hat.

Uma Thurman in dem Film "Mad Dog and Glory" 


Wir basteln uns ein Lebensmodell: Beziehung, und wenn ja, wie? – Jedem seine eigene Beziehungskiste – Von dauerhaften Entscheidungen und emotionalem Durchhaltevermögen – Beziehung als emotionaler Risikofaktor – Warten auf die Richtige, aber ganz entspannt – Die emotionale Balance im Niedrigfühlbereich und was passiert, wenn man das Gleichgewicht verliert – Soll das schon alles gewesen sein? – „Konkrete Vögel-Praxis“ versus „emanzipierte Verkehrsformen“: Von der Erschöpfung nach dem ständigen Beziehungskampf – Das erotisch-sexuelle Gehäuse beginnt zu bröckeln: Kündigung des Abonnements auf die ewige Jugend
Reinhard Mohr

 


Die Bohème, um die es sich in diesem Buche handelt, ist kein Geschlecht von heute, sie hat zu allen Zeiten und in allen Ländern bestanden, und sie kann auf erlauchte Abkunft Anspruch machen. Für den besorgten Leser, für den furchtsamen Bürger, für all jene, die nie zu viel Pünktchen auf dem i einer Definition finden können, wollen wir also in Form des Lehrsatzes wiederholen: „Die Bohème ist die Vorstufe des Künstlerlebens, sie ist die Vorrede zur Akademie, zum Hospital oder zum Leichenschauhaus.“
Kommen wir zur echten Bohème, zu der, die zum Teil das Thema dieses Buches bildet. Die ihr angehören, das sind die wahrhaft Berufenen der Kunst, und sie haben Aussicht, ihre Auserwählten zu werden. Diese Bohème starrt so gut wie die anderen von Gefahren; denn zwei Abgründe begrenzen sie zu beiden Seiten: das Elend und der Zweifel. Aber zwischen diesen beiden Abgründen läuft doch wenigstens ein Weg hin, der zum Ziele führt; und die Bohémiens können es schon längst mit dem Blick erfassen, ehe sie es mit Händen greifen können ...
Henri Murger


Meine Inszenierung erstreckt sich nicht auf ein paar Tage, auch nicht auf 20-30 Jahre wie im Original bei Murger (bei gedamals geringerer Lebenserwartung), sondern auf etwa 40-50 Jahre, von 1968 bis in die 2010er Jahre. Zwischen den Akten vergeht Zeit. In Makro-Video-Aufnahmen altern unsere Protagonisten zwischen den Akten. Der Bau, von Hausbesetzung über ein Shopping-Center über Immobilienspekulanten der 90er Jahre zum Altenheim verändert sich. Die Protagonisten bleiben, werden alt in ihrem Viertel. Mimi stirbt. Im Altenheim.

 

Was bewegte Puccini?
Nicht ohne Grund haben sich Puccini und seine Librettisten Luigi Illica und Giuseppe Giacosa intensiv Gedanken darüber gemacht, in welcher Zeit sie ihre Oper La Bohème spielen lassen wollen: kurz nach 1830. Die Julirevolution in Paris, sie bedeutete die erneute Machtergreifung des Bürgertums in einem liberalen Königreich entgegen der Versuche Karls X., die Macht des Adels im alten Sinne wiederherzustellen. Es erhoben sich Studenten, Arbeiter, Handwerker und zwangen den König zur Abdankung. Zum ersten Mal handelt es sich um eine Bewegung von Bürgern, die sich dann auf mehrere Länder übertrug, bis hin zur März-Revolution 1848/49 in Deutschland.


Puccini und auch Henri Murger in seiner Romanvorlage waren sicherlich nicht allein an den privaten Schicksalen der Studentenschaft interessiert, es ging um mehr. Der Roman umfasst in seinen schlaglichtartigen Kurz- und Seriengeschichten einen Zeitraum von etwa 20 Jahren, in dem sich die Figuren bewegen. Es geht  in den Szenen aus dem Leben der Bohème sowohl um den Versuch einer gesellschaftlichen Neuordnung und die Kritik an bestehenden Zuständen als auch auch um die Frage nach der Haltung und Konsequenz der Studenten dieser Zeit, die sich zwischen ihrem Lebenskonzept bzw. Berufsbild und den Notwendigkeiten des Alltags bewegen. Es schwingt latent eine Kritik an der „Intelligentia“ mit, einer intellektuellen Schicht ohne Boden, die von kapitalistischen Bewunderern umgeben ist, deren Substanz aber immer wieder infrage gestellt wird.


Die kleinen Dinge sind es, so sagt Puccini an anderer Stelle, die ihn interessieren. Er hat mit La Bohème ein modernes Werk geschaffen, so nah wie an der Realität eine gut gelungene Seriengeschichte. Denn er schneidet auch in seinem Libretto in vier Bildern filmisch in emotionale Extremsituationen hinein: Was wird aus den Lebensentwürfen der jungen aufbegehrenden Generation? Was wird aus der Liebe? Gewohnheit? Nach und nach verlieren die Protagonisten ihre Fähigkeit zu lieben. Spätestens ab dem 3. Bild – das ihm und seinen Librettisten bis zum Schluss Kopfzerbrechen bereitete – leben alle Figuren mehr und mehr in der Rückerinnerung und trauern ihrer Jugend hinterher. Was bedeutet Bedingungslosigkeit? Welche Bedingungen müssen stimmen, welche Lebensweise ergibt sich daraus über die Jahre? Auf welche Kompromisse lasse ich mich ein und was kosten sie mich? Vielleicht Einsamkeit? Und was kosten diese Kompromisse die Gesellschaft, von deren Wandel man geträumt hat?


Dies alles klingt uns heute sehr vertraut, wenn wir die Generation der 1968er im Rückblick von 50 Jahren betrachten. Aus dieser Betrachtung wiederum ergeben sich erstaunliche Parallelen zur musikalisch/szenischen Struktur Puccinis. Auch seine Generation fand – wie zuvor die jungen Leute der 1830er Jahre in Frankreich – politische Spaltungen in ihren Ländern vor. Das gilt auch für die Welt des Komponisten Puccini: Seine Generation übte Kritik an der Generation Verdis, so wie seit den 1910er Jahren die so genannte „Generazione dell’ottanta“, die Generation der 80er, an Puccini und seinen Zeitgenossen Kritik übte.
Die 1960 er Jahre waren reich an Konflikten. Die Schatten der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hingen schwer über Europa, der Kalte Krieg brachte neue große Herausforderungen mit sich: Nachkriegsrezession, steigende Arbeitslosigkeit, radikale Kräfte von rechts und links und eine fragile demokratische Ordnung. 1968 brachen überall in den Städten Europas und in den USA Studentenproteste aus: gegen Vietnam und das Establishment, eine weltweite Bewegung! Eine aggressive Polarisierung des öffentlichen Raumes ist damals im Gange, und das Risiko einer Blindheit gegenüber einem Wandel in der Gesellschaft, aus dem sich extreme Ideologien speisen. Damals wie heute.

Und die Kunst? Wer ist ein Künstler?
Die Kunst ist sowohl bei Henri Murger als auch bei Giacomo Puccini wie – um die Worte Collines aus dem 4. Bild zu zitieren – ein „Mantel“, eher ein Lebenskonzept, das vor allem durch Puccinis Partitur sehr klug infrage gestellt wird. Es geht um Lebenskonzepte und deren Gelingen oder Scheitern. Es war ebenfalls in den 1960er Jahren, als sich der Kunstbegriff fundamental wandelte und insbesondere durch Persönlichkeiten wie Andy Warhol und Joseph Beuys bdeutend erweitert wurde: „Jeder Mensch ist ein Künstler“.
Eine andere, neue Idee von Politik wurde eingefordert. Diese Forderung war allerdings an die eigene Sehnsucht nach Welt gekoppelt! Eine Sehnsucht nach Weite, Überschreitung, um einer Art Metamorphose Ausdruck zu verleihen; nicht unbedingt eine Weltveränderung, eher vielleicht eine Selbstveränderung!
Wir haben viele Fragen an die Generation der 68, heute, fünfzig Jahre danach, vielleicht mehr denn je. In der polarisierten Gesellschaft von einst gab es eine enorme Diskussionskultur. Wo sind wir heute gelandet? Heute predigen gegensätzliche  Seiten vor eigenem Publikum, erreichbar über die Medienblasen. Ernsthafte Diskussion gegensätzlicher Ansichten ist offenbar derzeit nicht gefragt. Gute Zeiten, für eine neue Bohème? Martina Veh


„Es ist ein Leben der Geduld und des Mutes, in dem man nur kämpfen kann, wenn man einen starken Panzer der Gleichgültigkeit trägt, fest genug gegen Dumme und Neider. Und will man nicht auf dem Wege straucheln, so darf man keinen einzigen Augenblick den Stolz auf sich selber aufgeben, der als Stützstock dient. Es ist ein reizendes Leben und ein furchtbares Leben, das seine Sieger und seine Märtyrer hat, und in das man nicht eintreten darf, ohne sich von Anfang an darein zu finden, dass man das unerbittliche Gesetz „vae victis!“ [„Wehe den Besiegten!“] erfahren kann.“ Henri Murger

 

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