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UT-OP.er
Oder das ewige Jetzt
frei nach «Utopia» von Thomas Morus aus dem Jahr 1516


Musiktheater von Alexander Strauch (Musik) und Martina Veh (Text)

Ein Projekt der Sächsischen Staatsoper Dresden (Intendant Prof. Gerd Uecker) in der Hochspannungshalle der Technischen Universität Dresden, am 23. Oktober 2009, 20.00 Uhr

Premiere (Uraufführung) am 23. Oktober 2009
Weitere Vorstellungen: 24., 25., 28. Oktober und letzte Vorstellung am 1. November 2009 um jeweils 20.00 Uhr

Musik, Konzept: Alexander Strauch
Idee, Konzept und Inszenierung: Martina Veh 
Raum und Kostüm, Konzept: Kristina Siegel 

Musikalische Leitung: Gelsomino Rocco
Raum und Kostüm: Kristina Siegel
Dramaturgie: Stefan Ulrich
Licht: Steffen Adermann
Video: Knut Geng

Fotos: Matthias Kreuziger 


Mit Christopher Robson (Counter-Tenor)
Und: Ralf Arndt (Tanz), Lin Lin Fan (Koloratursopran), Clemens Heidrich (Bass), Gerald Hupach (Tenor), Sofi Lorentzen (Alt), Romy Petrick (Koloratursopran), Steffen Rössler (Bass), Carola Schwab (Tanz), 
Sprecher: Johannes Beckmann


Zum Stück:
Eine bilderreiche Reise der Zeit, des Ortes, des Zufalls, der Auseinandersetzung zwischen Realität und Wunsch, der Freude und des Rausches, der Katastrophe, der Menge zum Individuum, des Individuums in seine Innenwelt, eine Reise auf der Suche nach Utopie. 
Ou-topos, der Nicht-Ort. Utopia, eine neuerdings entdeckte Insel irgendwo in der Neuen Welt. Thomas Morus’ kleines Buch erschien im Dezember 1516 – trotz humorvoller Distanz ein radikaler Versuch, über das Ideal der Gleichheit der Menschen und die Machtstrukturen in der Zeit des Wandels nachzudenken. 
Der Protagonist, ein Entdecker namens Hythloday, was soviel heißt wie «der Paddler im Unsinn», ist abhanden gekommen. Wir begeben uns auf die Suche.

„Utopia“ von Thomas Morus ist eine Art Kalaidoskop, durch das wir bruchstückhaft in unsere heutige Zeit blicken, dabei uns zu ihr ins Verhältnis setzen und fragmentarisch abbilden. Thomas Morus hat sich in einer Zeit des Übergangs befunden, dem Aufbruch in die Neuzeit. Umbruch und Wandel sind die Themen unseres Projekts. Der Verlust der „großen Utopien“ hat eine vielgestaltige Masse von Individuen zur Folge, die neue Impulse und Kräfte für Veränderungen eröffnen. Der Wandel, in den der Mensch von heute geworfen ist, die Suche im „Nirgendwo“ nach einem Ort des Verweilens, sich wiederfinden in den Cafés der Metropolen, einem Glas Limonade, einer Erinnerung an das Paradies.

Ist für Morus Utopia noch ein Ort, der als nicht zu verwirklichende Phantasie nur theoretisch denkbar ist, so lässt sich – blickt man auf die heutigen gesellschaftlichen, politischen und sozialen Umstände- andenken, ob diese Utopie von vor 500 Jahren nicht doch zumindest in Teilen zur Realität geworden ist. Ein Utopia der Vergangenheit würde demnach heute gelebt. 
Ou tópos, der Nicht-Ort; darin setzt sich um, was wir Menschen von heute spüren können: Eine Art Ortlosigkeit, die unsere Gesellschaft prägt. Ohne Zugehörigkeit keine Utopie, sondern nur noch individuelle Sehnsüchte und Wünsche: Das eigene Glück, die finanzielle Sicherheit und emotionale Zufriedenheit etc. Eine soziale Utopie kann sich nur entwickeln, wenn ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl definiert ist. Deren Definition hat sich aber verschoben: dazu zählen heute Begriffe wie der Arbeitsort, der Lebensort, der Sprachraum, der ideelle, charakterliche und der emotionale Ort. Betrachtet man das Heute, so ist es nicht leicht, in der globalisierten Welt, eine bestehende, für die Gemeinschaft der Menschen gültige Utopie zu finden. Doch, zumindest eine gibt es: Die Menschenrechte! Eine Utopie?

Und nach Utopia? Vielleicht kommt etwas ganz anderes? Vielleicht kein Utopia mehr, das von einem humanistischen Weltbild geprägt ist? Vielleicht wird ein anderes Utopia geschrieben, das sich umsetzt in weiteren 500 oder 50 Jahren?
Die Krise? Gewiss keine finanzielle, eher eine geistige.

 

Inhalt:
Der Protagonist bekommt einen Auftrag von Thomas Morus. Er soll jenen Menschen auffinden, dessen Tatsachenbericht über einen ihm bekannten fernen Ort ‹Utopia› Morus in seinem gleichlautenden Buch niederschrieb, um vor Herausgabe des Werkes dessen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der Beauftragte macht sich auf die Suche. Er gerät dabei in eine Zeitmaschine, an einen Unort der Gegenwart, einen Transit-Raum. Mit Hilfe des Buches, das dem Auftrag beiliegt, versucht er sich zu versichern, dass er auf der richtigen Fährte ist. Dem Suchenden widerfahren seltsame Dinge, und er begegnet heutigen Menschen. Ahnend, dass er direkt in Utopia gelandet ist, keiner nur angenehmen Welt, verzweifelt er und bricht zusammen. 
Im zweiten Teil des Stückes blicken wir in die Innenwelt des Protagonisten. Es vermischen sich seine innersten Bilder und Phantasien, Realitäten und Ängste. Eine Innensicht einer heutigen Welt. Die Menschen bewegen sich anders. Die Zeit ist nicht mehr sortierbar. 
Der Beauftragte findet am Ende heraus, dass er selbst der Gesuchte ist, Raphael Hythloday, der „Paddler im Unsinn“ und dass er selbst in Utopia angelangt ist, einem ewigen Jetzt und dass es an ihm liegt, das Buch umzuschreiben, neu zu schreiben oder zu vernichten. Vielleicht kommt etwas Neues. Er gibt den Auftrag ab und an das Publikum weiter.

 

Kommentar: 

Über das Paddeln im Nicht-Ort
Mit «Utopia», der Schilderung einer «idealen» Gesellschaft, setzte Thomas Morus die  (ge)wichtige Marke zum Genre der Sozialutopie; Das Werk gilt als erster Staatsroman der Neuzeit, der einerseits die englische Gesellschaft zu Beginn des 16. Jahrhunderts in ihrer Verderbtheit, Kriminalität und politischer Unordnung kritisiert. Andererseits schildert «Utopia» die intakte Sozialordnung einer Insel namens Utopia, die ihren Bewohnern ein Leben in Wohlstand, Gerechtigkeit Frieden bietet – eine Lebens-Utopie. Doch Utopia heißt Nicht-Ort, Nirgendwo-Land. Ihr Hauptort, Amaurotum (Nebelstadt) liegt am «Fluss ohne Wasser», und der Name des Reisenden, der diese Welt beschreibt, Hythloday, lässt sich mit «Schwätzer» oder auch mit «Paddler im Unsinn» übersetzen; neben diesen sprachlichen Finessen humorvollen Umgangs mit Bezeichnungen und Benennungen ist offensichtlich, dass Morus hier den Weg weit weg von einer Lebens-Realität hin zu einer  Überwirklichkeit geht. Er zeichnet einen Ort, der nur als Gedanke existiert und sich damit als scheinbar unrealisierbar erweist.      

Von der Streichung eines halben Jahrtausends
Dieses Buch wurde zum Auslöser für das Projekt «UT-OP.er», worin Themenkreise verhandelt werden, die, wie aus Morus’ «Utopia» herausgesogen, ihre zeitlose Aktualität dokumentieren. Als würde der Zeitsprung von bald 500 Jahren nicht existieren, erkennt Martina Veh Parallelen zwischen Morus’ Schrift und dem Heute. Eine zufällige Konstellation im Straßencafé gab der Stückschreiberin Veh den Anstoß: «Die Brisanz der Tonlage von Thomas Morus schlugen mich vollkommen in ihren Bann, umso mehr, also dass parallel eine Tageszeitung auf meinem Frühstückstisch lag. ‹Utopia›: Die durchklingende Angst vor der Zensur, der dennoch radikale Versuch, kritisch über die Macht- und Wirtschaftsstrukturen seiner Zeit nachzudenken, die Expansionspolitik des damals werdenden Europas in ein sehr kritisches Licht zu setzen vor allem auch anhand der einfachen alltäglichen Beispiele… Dies alles in Verbindung mit der gegenwärtigen Tageszeitung, deren Autor ebenso der Verfasser der ‹Utopia› hätte sein können, hielt mich in Atem. Parallelen über Parallelen sprangen mir ins Auge und regten mich an zu einem Projekt…»

Leben im Utop?

Wie geht es Menschen, die im Jetzt, in diesem Utopia leben? Das sind unsere Figuren… Das sind wir! Das sind die Psychischen Fallen andeuten, die Sattheit und ihre Schatten, …das „nichts mehr tun können/wollen“,  nicht mehr zur Wahl gehen können, weil man die Wahl hat „überall und nirgends“ zu leben… Ein Problem unserer Gesellschaft ist ja auch die Ort-losigkeit und somit eine schwer zuteilbare Verantwortlichkeit. Durch die Ort-losigkeit diffundiert, meine ich, eine Utopie, die sich auf eine Gemeinschaft bezieht, zu Wünschen und Sehnsüchten von einzelnen Individuen. Eine soziale Utopie kann man wahrscheinlich nur entwickeln, wenn ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl vorhanden ist zu einer Gruppe oder sozialen Struktur, die bis vor wenigen Jahrzehnten immer örtlich gebunden war.

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