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17. Oktober 2016 

 

 

ULISSE
Musiktheater nach Claudio Monteverdi


Premiere:
 Montag, 17. Oktober 2016, 20 Uhr
Weitere Vorstellungen: 19./21. Oktober,23./29. November, 
1. Dezember 2016, Lager West auf der Hinterbühne des Prinzregententheaters

Musikalische Leitung, Fassung: Joachim Tschiedel
Accademia di Monaco extra:
Franziska Dolling (Flöten), Maria Fitzgerald (Cembalo), Dorothea Kügler (Hackbrett), 
Franz Anton Peter (Hackbrett), Birgit Stolzenburg (Hackbrett), Joachim Tschiedel (Orgel), Anna Zimre (Gambe)

Inszenierung, Bühne, Fasssung: 
Martina Veh
Körperarbeit: Toni Gruber
Sprachcoaching: Dr. Loretta Trinei
Dramaturgie: Anna Raisig

Kostüme: Christl Wein-Engel
Licht: Benjamin Schmidt
Video: Raphaela Andrade

 

Fotos1-4, 6, 7, 10: Jean-Marc Turmes, Fotos 5, 8, 9: Christl Wein

Rechte Titelfoto: Theaterakademie August Everding (Zoeller)


Mit
Pia Buchert (Penelope), Jaeil Kim (Eurimaco), Jessica-Veronique Miller (Penelope), 
Julia Moorman (Melanto), Bavo Orroi (Telemaco), Andromahi Raptis (Iro), 
Stefan Sbonnik (Ulisse), Clara Corinna Scheurle (Penelope),
Irakli Atanelishvili (Nettuno) und Andreas Böhm (Hafenarbeiter)

Abendspielleitung, Videoinspizienz, Regieassistenz, Requisite: Marie Philine Pippert
Kostümassistenz: Annika Österreich
Beleuchtungsinspizienz: Clara Tolle
Technischer Produktionsleiter: Stefan Wintersberger
Bühnenmeister: Andreas Böhm, Markus Flossmann
Videoschnitt: Raphaela Andrade
Leitung der Tontechnik: Miriam Reinhard
Leitung der Videotechnik: Thomas Zengerle
Leitung der Kostümabteilung: Elisabeth Funk
Leitung der Requisite: Kristof Egle

Produktionsleitung: Alexandra Zöllner

Rechte an der musikalischen Fassung: Martina Veh und Joachim Tschiedel
Dauer: ca. 90 Minuten ohne Pause

Ein Hafen. Wartende Frauen. Ulisse war mit seinen Männern in den Krieg gezogen – einen Krieg,
der nicht der seine war. Penelope, seine Frau, wartet seit nunmehr 20 Jahren auf ihn.
Sie und ihr Sohn Telemaco, der seinen Vater nie kennen gelernt hat, sind nur zwei von
vielen Verlassenen. Die Geschichte von Ulisses schwieriger Heimkehr beginnt.

In einer umfangreichen musikalischen Bearbeitung bringen die Regisseurin Martina Veh
und der musikalische Leiter Joachim Tschiedel Claudio Monteverdis Oper in neuem Gewand
auf die Bühne. Zum ersten Mal wird bei dieser Aufführung das Lager West im Prinzregententheater
bespielt – ein Ort, der für das Publikum normalerweise nicht zugänglich ist.

Theaterakademie August Everding und Hochschule für Musik und Theater München
mit dem Master-Studiengang Musiktheater/Operngesang
(mit besonderem Dank an Prof. Karl Köwer, Jochen Krug, Balazs Kovalik)
 
LEBEN IM ZWISCHENSTADIUM
von Anna Raisich

Zwanzig Jahre wartet Penelope nun schon auf ihren Mann. Es ist ein Leben im
Zwischenstadium: Ihr altes Leben ist unwiederbringbar verloren, ein neues kann sie
nicht beginnen, ohne über den Verbleib von Ulisse im Klaren zu sein. Sie hält die Freier
hin, kümmert sich allein ums Geschäft. Was nützen die Überredungsversuche
Malantos? Penelope, die Leiderprobte, die Starke, hält ihr Wort. Und traut sich nicht,
glücklich zu sein. Während ihr Sohn heranwächst, ohne seinen Vater je kennengelernt zu haben. 
Es ist auch ein Leben in Ungewissheit, in ständiger Angst um das Leben Telemacos - 
Werden die Freier ihn töten bevor er legitime Machtansprüche erhebt?
Für Telemaco ist sein Vater eine Sagengestalt, der Held unzähliger Erzählungen, die
er Zeit seines Lebens zu hören bekommen hat. Überbehütet und erdrückt von der
Trauer der Mutter, flüchtet er sich in sein Inneres, führt dort seinen persönlichen
Krieg. Kein Wunder, dass die ersehnte Erleichterung zunächst ausbleibt als er
endlich dem Mann begegnet, der sein Vater sein soll.
Wie um es ihr unter diese Nase zu reiben, genießt Melanto, eine Vertraute
Penelopes, die Freuden der Liebe. Wen kümmert es da, dass Eurimaco es eigentlich
auf Penelope – oder vielmehr: auf ihre Stellung – abgesehen hat und seine Geliebte
instrumentalisiert, um bei ihr zu landen. Jedenfalls muss das ewige Gerede vom
Krieg, von der Vergangenheit aufhören. Soll doch leiden wer leiden will, die beiden
sind jung und wollen leben – am liebsten als neues „Royal Couple“.
Alltag in der Chefetage des Hafens: Nettuno ist schlecht gelaunt. Wenn es nach ihm
geht, ist der Mensch selber schuld an seinem Leid. Kein Grund zur Milde also: Wer
Mist baut, insbesondere wer sich mit den Obersten anlegt, gehört bestraft. Schlechte
Karten für Einwanderer aller Art, die den Hafen erreichen, schließlich ist er hier der
Boss.
Da ist Minerva anderer Meinung. An Zielstrebigkeit und einer gesunden Portion
Opportunismus mangelt es ihr nicht. Wenn Nettuno bloß nicht seit zwanzig Jahren
den Chefsessel blockieren würde. Als sie den schlafenden Ulisse findet, ist ihr
Moment gekommen. Sie nimmt sich seiner an und schmiedet mit ihm einen Plan für
den Rachefeldzug gegen die Freier.
Von den Machtspielchen will Iro nichts wissen. Es sei denn es springt etwas für ihn
dabei raus. Alles andere ist Zeitvergeudung, schließlich bietet das Leben allerlei
Freuden. Sollen die anderen sich doch abmühen. An Nettunos Seite lebt er ein 
bequemes Parasitenleben. Doch die Rückkehr Ulisses ändert schlagartig alles: 
Von Nettuno angestachelt, legt er sich mit Ulisse an und unterliegt ihm gnadenlos. 
Zwar gelingt es ihm, heil der blutigen Rache Ulisses zu entkommen, aber was nun? 
Der Parasit hat seinen Wirt verloren.
Zwanzig Jahre ist es her, dass Ulisse zum letzten Mal Heimatboden betreten hat,
weil er in einen Krieg zog, dessen Sache nicht die seine war. „Dormo ancora, o son
desto?“ (Schlafe ich noch oder wache ich?), fragt er sich als er in Ithaka erwacht. Der
süße Schlaf hat ihn verlassen, vorbei ist der Moment der Ruhe und des Trosts. Der
Schlaf ist die Unschuld, doch unschuldig ist Ulisse nicht. Und er kann nicht
vergessen. Als Ulisse zurückkehrt, ist nichts wie es einmal war. Frau und Kind
erkennen ihn nicht mehr, Widersacher nehmen seine Stellung ein, bedrängen seine
Frau und demütigen ihn als Eindringling. Gewaltsam sucht er, den Schwellenzustand
zu beenden und sein altes Leben wiederherzustellen. Wieder ist Mord das letzte
verbleibende Mittel.
„Consorte io sono, ma del perduto Ulisse“ (Gattin bin ich, doch die des verlorenen
Odysseus), entgegnet ihm Penelope beim Wiedersehen. Ist der alte Odysseus, der
Mann, den sie vor zwanzig Jahren liebte, auf den sie so lange gewartet hat, für
immer verloren? Wofür all das Leid? Es ist die Geschichte von Ulisses Rückkehr. An
ihrem Schluss steht kein Ende. Aber ein (Neu)Anfang.
 
Die Suche nach der Wahrheit
Die Bearbeitung ist aber nicht bloß musikalischer Art. Vor dem Hintergrund der
historischen Gebundenheit von Mythen, ist es im Grunde naheliegend, dass aus der
Beschäftigung mit Monteverdis Version der Odyssee von einem heutigen Standpunkt
aus wiederum eine eigene Lesart hervorgeht. Daher der Zusatz „Musiktheater nach
Monteverdi“. Das Resultat ist – wie der stark gekürzte Werktitel andeutet – eine
dichte und kondensierte Auseinandersetzung mit den Mechanismen der Macht und
ihrer Auswirkung auf den Einzelnen: Welche Mächte lenken heute unser Schicksal?
Wer sind die Götter, deren Sirenengesang uns ins Verderben lockt? Sind wir
verloren? Oder gibt es einen Ausweg? Die Protagonisten in der Erzählung von
Ulisses Rückkehr sind Suchende, Orientierungslose. Stets gilt es, Widerstände zu
überwinden. Die List wird zum unentbehrlichen Werkzeug in einer Welt, in der Trug
und Schein jedwedes Vertrauen unmöglich machen.
Alles nur Denkbare wird hier durchgeschleust. Durch den Hafen. Er ist eine klaffende
Wunde. Endpunkt der endlosen Reisewege der Waren. // Nichts ist klar und
eindeutig. Alles wird erst wahr, sobald es geschieht. In der Dynamik der totalen
Macht gibt es nichts, was über das Konkrete hinausgeht. // Alle, die ich kenne, sind
tot oder im Gefängnis. Ich will ein Boss werden. Und dann will ich sterben. Aber wie
ein echter Mann, einer der wirklich das Sagen hat. Ich will umgebracht werden. // Wir
sind Unternehmer, weiter nichts. // Alle umbringen. Alle miteinander. Auch, wenn
man sich nicht sicher ist. Auch, wenn man nicht weiß, auf welcher Seite sie eigentlich
stehen. Schieß! Es ist Dreck. Dreck, nur Dreck. Im Krieg, wenn eine Niederlage
droht, sind Verbündete und Feinde austauschbare Rollen. Aus Individuen werden sie
zu Elementen, an denen sich die eigene Macht erprobt und beweist. Erst danach
werden die Seiten abgesteckt, die Verbündeten, die Feinde. Zuvor muss man erst
einmal schießen. // Geschäfte zu tätigen ist der einzige Grund, weshalb man
morgens aufsteht, die Motivation, die einen aus dem Bett holt und auf die Beine
stellt. // Alles was ich habe in dieser Welt, ist mein Mut und mein Wort. Und das
breche ich nicht. Für niemanden. Ist das klar? // Du fühlst einen inneren Druck wie
nach zu üppigem Essen oder zu viel miserablem Wein. Eine Angst, die nicht auf
Plakaten und in den Zeitungen herausgeschrien wird. Es marschieren keine Truppen
ein, und keine Flugzeuggeschwader verdunkeln den Himmel, den Krieg fühlst du in
dir. // Man denkt, die letzten Worte eines Sterbenden seien sein letzter, wichtigster,
grundlegender  Gedanke, als spräche er beim Sterben aus, wofür es sich zu leben
gelohnt hat. Das stimmt nicht. Beim Sterben kommt nichts als Angst zum Vorschein.
Alle oder fast alle wiederholen denselben banalen, einfachen und
selbstverständlichen Satz: „Ich will nicht sterben.“ // Mach weiter. Tu, was du tun
musst, alles andere zählt nicht. 

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